Neuer Patient, Verdacht auf Hepatitis und HIV

Nadelstichverletzung: So retten Sie Ihre Helferin!

Medical Tribune Kongressbericht

BAD ORB – Er kommt zur Blutentnahme zwecks Gesundheitscheck: Der 35-jährige Patient – neu in der Praxis – sieht unverschämt gut aus. Ihre Helferin scherzt mit dem Mann, passt nicht auf und verletzt sich an der Kanüle. Was nun?

„Bluten lassen und desinfizieren“, antworteten Teilnehmer des Notfallseminars auf der Practica wie aus der Pistole geschossen. „Aber desinfizieren womit?“, wollte Dr. Friedel Rohr, Allgemein- und Notfallmediziner aus Framersheim, von seinen Kollegen wissen. Eine Einwirkzeit von 30 min (wie bei Sterillium®) ist nämlich klar zu lang. Besser fährt man mit PVP-Jod-Lösung (2 – 5 min) oder Octeniderm®, das HIV in 60 Sekunden und Hepatitis-B-Viren in 120 Sekunden schachmatt setzt.

Bei HIV-Verdacht unbedingt PEP

Dann heißt es, bei dem unbekannten Patienten ausführlich Anamnese zu erheben (Hepatitis-Impfung, Risikogruppe?) sowie bei dem Patienten selbst und Ihrer Helferin erneut Blut abzunehmen. Gefahndet wird nach:

HIV (HIV 1/2 Ak)

Hepatitis B (HBsAk quantitativ, HBsAg) bei Ungeimpften

Hepatitis C (HCV-Ak)

Neben diesen Antikörpern werden bei der Helferin die Transaminasen bestimmt. Diese Labordiagnostik erfolgt erneut nach sechs Wochen und einem halben Jahr. Nach zwölf Wochen werden isoliert Antikörper gegen HIV bestimmt.

Und wie wird Ihre Mitarbeiterin nach Nadelstichverletzungen geschützt? Handelt es sich bei dem betreffenden Patienten um einen möglicherweise oder sicher HIV-Infizierten, sollte eine Postexpositionsprophylaxe (PEP) angeboten bzw. eingeleitet werden – die erste Dosis zulasten der BGW. Für solche Fälle bietet z.B. die Uniklinik Mainz eine rund um die Uhr besetzte Anlaufstelle der HIV-Sprechstunde an. Eine Postexpositionsprophylaxe sollte nämlich innerhalb von 48, besser noch 24 Stunden nach dem Kanülenunfall angeboten werden. „Also nicht übers Wochenende bis Montag früh

warten“, mahnte Dr. Rohr.

Seiner Ansicht nach müssten mittlerweile alle Universitäten solche Notfall-Anlaufstellen bereithalten. Falls nicht, können sich Kollegen mit Fragen an den Notruf Mainz (06131/171, nach HIV-Sprechstunde fragen) wenden.

Sicherheitssysteme verhindern Infektionen

Hat sich eine Mitarbeiterin bei Hepatitis-B-positivem Infektionsträger an der Kanüle gestochen, wird (bei ungeimpften Versicherten) eine aktive/passive Immunisierung eingeleitet. Ist der Patient Hepatitis-C-positiv, so bestimmen Sie bei Ihrer Helferin HCV-RNA per PCR nach zwei Wochen und bei negativem Ergebnis erneut nach sechs Wochen.
Nicht vergessen werden dürfen die Meldung an die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege sowie die Kontrolle der HBs-Antikörper bei geimpften Mitarbeiterinnen.

Ganz vermieden werden können solche unerfreulichen Fälle durch Sicherheitssysteme zur Venenpunktion. Spezielle Vorrichtungen (automatisch aufsetzende Verschlusskappen, winzige Metallbügel) machen hier eine Verletzung an der Nadelspitze unmöglich. Solche besonderen Blutentnahmegeräte sind auf jeden Fall vorgeschrieben, wenn man Patienten mit Tbc-, HIV-, Hepatitis-B/C-Infektion versorgt, ferner bei Behandlung von „fremdgefährdenden Patienten“, im Rettungsdienst oder bei Tätigkeit in Gefängniskrankenhäusern (TRBA* 250). Grundsätzlich, so empfiehlt man ergänzend, seien die sicheren Systeme anzuwenden, wenn Körperflüssigkeiten in „relevanter Menge übertragen werden können … wie bei Blutentnahmen und sonstigen Punktionen … von Körperflüssigkeiten“ – also immer eigentlich.

Rote Marke für Hepatitis-C-Kranke

Bluten lassen und desinfizieren ist eine adäquate Maßnahme nach Nadelstichverletzung, wenn es HIV und HBV abzuwehren gilt. Gegen Hepatitis-C-Erreger gibt es allerdings kein wirksames Desinfektionsmittel. Daher sollte die Kartei von Patienten mit bekannter Hepatitis C eine rote Markierung erhalten, die sofort ins Auge springt. Für Ihre blutentnehmende Helferin heißt dies: Doppelt und dreifach aufpassen!

MTD, Ausgabe 46 / 2007 S.4, CG, * Technische Regeln für biologische Arbeitsstoffe