Die kleinen Notfälle in der Praxis – Expertentipps zur Behandlung von Fieber, Bisswunden und Co.

Autor: Medical Tribune, 50. Jahrgang / Nr. 48 / 27.11.2015

Ein Kollege wollte wissen, mit welchen akuten Problemen ihn seine Patienten in der Praxis wohl am häufigsten aufsuchen. Das überraschende Ergebnis seiner Auswertung: „Insektenstich“ stand ganz oben auf der Liste – gefolgt von Fieber, Rückenschmerz und kleineren Wunden. Der Hausarzt und leitende Notarzt Dr. Friedel Rohr erklärt, wie ein „Stichheiler“ funktioniert, was man beim Anlegen von Wadenwickeln beachten sollte und wie sich das unwillkürliche Herauspresssen eines Fieberzäpchens verhindern lässt.

Die vier häufigsten kleinen Notfälle in der Hausarztpraxis

Welche „Notfälle“ begegnen einem in der Praxis wohl am häufigsten? Ein Kollege hat Protokoll geführt. Das Ergebnis überraschte auch ihn: „Insektenstich“ lautete die häufigste Diagnose bei akuten Konsultationen.

Hausarzt-Notfall Nummer 1: der Insektenstick

Beim Insektenstich stehen Allgemeinmaßnahmen im Vordergrund: Beruhigen des Betroffenen, Entfernen eines potenziellen Allergens (z.B. Insektenstachel) und Kühlen der Hautstelle. Neben Antihistamin-Gels empfahl Dr. Friedel Rohr, Hausarzt in Framersheim und leitender Notarzt des Landkreises Alzey-Worms, einen „Stichheiler“. Dieses Gerät enthält eine Wärmeelektrode, die bei äußerer Anwendung auf der Stichwunde die Giftstoffe des Insektes denaturieren kann.

Zweithäufigster Notfall: Fieber

Ein weiterer häufiger Anlass für eine akute Beratung ist Fieber. Bei dessen medikamentöser Behandlung sollte man die hepatotoxische Wirkung von Paracetamol im Hinterkopf behalten, betonte der Kollege. Ab 50 mg/kg KG riskiert man einen Leberschaden – unabhängig vom Patientenalter. Spricht das Fieber auf Paracetamol nicht an, setzt Dr. Rohr das Präparat ab und weicht auf Ibuprofen oder Novaminsulfon aus.

Entscheidet man sich für ein Fieberzäpfchen, kann ein hoher Sphinktertonus die Applikation mitunter erschweren. Für eine solche Situation hatte der Referent einen Tipp parat: Er verabreicht das Zäpfchen mit der stumpfen Seite zuerst. Denn durch seine konische Form wird es durch eine unwillkürliche Sphinkterkontraktion nicht herausgepresst, sondern sie lässt es umgekehrt einfach hineinflutschen.

Als effektive fiebersenkende physikalische Maßnahme gilt der Wadenwickel. Zwei Baumwolltücher werden mit lauwarmem Wasser durchtränkt und dann 20 bis 30 Minuten auf den Unterschenkeln belassen. „Aber die Beine bitte nicht zudecken!“, appellierte der Kollege. Denn um einen optimalen antipyretischen Effekt zu erzielen, sollte man lieber ein saugendes oder wasserdichtes Tuch unterlegen, als die kühlenden Umschläge zuzudecken oder mit einem trockenen Handtuch zu umwickeln.

Dritter Hausarzt-Notfall: Schürf- und Bisswunden

Auch kommen Patienten nicht selten mit kleineren Schürf- und z.T. auch Bisswunden in die Praxis. Zunächst wird die Wunde gespült (bei Bisswunden mit Knopfsonde), am besten mit NaCl 0,9 % oder einer Wundspüllösung. Zur anschließenden Desinfektion eignen sich für oberflächliche Wunden octenidinhaltige Desinfektionsmittel – bei tieferen Verletzungen sollte man diese Mittel jedoch nicht anwenden.

Nach Bisswunden gilt es, die betroffene Extremität ruhig zu stellen. Der Kollege riet eindringlich, solcheWunden nicht zu nähen und eine Antibiotikaprophylaxe mit Amoxicillin/Clavulansäure in Erwägung zu ziehen. Und nicht vergessen: Auch der Impfstatus des Patienten muss abgeklärt werden.

Notfall Nummer 4: Rückenschmerzen

Als häufigen „Notfall“ Nummer 4 nannte Dr. Rohr die akuten Rückenschmerzen. Bei diesem Beschwerdebild kommen nicht nur Bandscheibenprobleme als Ursache infrage, betonte der Kollege. Auch paravertebrale muskuläre Verspannungen oder Insertionstendopathien am Beckenkamm führen zu lumbalenSchmerzen. Zur Linderung kann man in diesen Fällen zunächst mit Ibuprofen oder Novaminsulfon behandeln. Muskelrelaxanzien sind eine weitere Option. Dr. Rohr arbeitet auch mit lokalen Infiltrationen (Neuraltherapie). Verwenden sollte man hierzu Lokalanästhetika wie Lidocain (0,5–1 %) oder Mepivacain (1 %). Procain werde wegen der hohen Allergisierungsrate nicht mehr empfohlen, so der Referent.

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