Im Ernstfall kühlen Kopf bewahren

Herzinfarkt. Autounfall. Schlägerei. Bienenstich. Situationen, in den Menschen in Not geraten und auf Erste Hilfe angewiesen sind, können überall und jederzeit passieren. Gerade bei Massenveranstaltungen wie dem Winzerfest kann schnell etwas passieren. Und für die, die dann in der Nähe sind, ist es meist der Horror ihres Lebens. Überfordert und unwissend bewahren nur die wenigsten in einem Ernstfall kühlen Kopf.
„Einen halben Tag lang zu üben, wie man Leben rettet, kann ja nicht schaden“, findet Thomas Schabel. Doch so wie der Ausbildungsleiter bei den Johannitern denken längst nicht alle. Das letzte und einzige Mal haben viele beim Führerscheinkurs lebensrettende Maßnahmen wie die Reanimation und die stabile Seitenlage trainiert. Und das liegt Jahre zurück. Dabei sind die Ersthelfer diejenigen, die mitentscheiden, welches Ende ein Notfall nimmt, sei es daheim in den eigenen vier Wänden oder beim Autounfall. Die Momente, die sie zögern, können die Minuten sein, die am Ende fehlen, wenn über Leben oder Tod entschieden wird. Darauf verweist die Bundesarbeitsgemeinschaft Erste Hilfe, ein Zusammenschluss mehrerer Hilfsorganisationen, die im September deutschlandweit mit Aktionen die Bedeutung lebensrettender Sofortmaßnahmen unterstreicht.
Es ist eine Mischung aus Unsicherheit und Unwissenheit, die die meisten vom Helfen abhält, hat Dr. Friedel Rohr, Leitender Notarzt im Landkreis Alzey-Worms, bei seinen Einsätzen beobachtet: „Die Leute trauen sich nicht, sie haben Angst, dass sie etwas falsch machen.“ Trotz aller Bemühungen zur Aufklärung und Information sei es so, „dass nur in den wenigsten Fällen etwas gemacht wird“. Eine traurige Erfahrung, die auch Rettungsassistent Michael Haupt gemacht hat: „Ich mache das seit 13 Jahren und ich habe vielleicht fünfmal erlebt, dass ein Ersthelfer dem Motorradfahrer den Helm abgenommen hat.“
Richtlinien ändern sich oft
Nach Angaben des Ausbildungsleiters beim Roten Kreuz im Kreis gibt es in Deutschland zwischen sechs und acht Millionen Notfälle jedes Jahr. Demnach ist nicht die Frage ob, sondern wann etwas passiert. Im Ernstfall reicht Rohr zufolge bereits die Herzdruckmassage aus. Auch für Haupt ist es allemal besser bei der Wiederbelebung nur zu drücken und auf die Mund-zu-Mund-Beatmung – für viele ein Ekelfaktor – zu verzichten, als bei einem Kreislaufstillstand überhaupt nichts zu tun. „Der größte Fehler ist, nichts zu machen“, bringt es Thomas Schabel auf den Punkt. Aber wenn es kinderleicht ist und trotzdem kaum einer etwas macht – wie können die Menschen dazu bewogen werden, häufiger Hilfe zu leisten? Sind Pflichtkurse zur regelmäßigen Auffrischung eine Lösung, um die gefährlichen Wissenslücken zu beseitigen? Friedel Rohr und Michael Haupt halten nicht viel davon. Für sie ist die fehlende Motivation der Knackpunkt bei den Zwangsschulungen. „Die Motivation ist jetzt doch auch nicht hoch“, hält Schabel dagegen. Gerade im medizinischen Bereich, erklärt der Johanniter, änderten sich die Richtlinien wie in einem Notfall zu verfahren ist, sehr oft. Deshalb plädiert er dafür, dass alle zwei Jahre Führerscheininhaber zur Auffrischung verpflichtend einen Erste-Hilfe-Kurs absolvieren müssen. Ein Ansatz wäre für ihn auch die Erste Hilfe in den Schulen auf den Stundenplan zu nehmen.
Doch trotz aller Probleme: Die Situation hat sich verbessert. „Vor zehn, 20 Jahren war es noch schlimmer. Davon sind wir heute weit entfernt“, sagt Dr. Rohr.

Siehe auch Direktlink dieses Artikels bei der Allgemeinen Zeitung Alzey:http://www.allgemeine-zeitung.de/region/alzey/landkreis-alzey-worms/12439762.htm