Artikel aus der Allgemeinen Zeitung Alzey, Thema: Wartezimmer sind rappelvoll

Allgemeine Zeitung Alzey vom 12.11.2021

Ärzte in der Region Alzey-Worms sind ausgelastet

Grippale Infekte und Atemwegserkrankungen: Hausärzte im Landkreis Alzey-Worms warnen vor steigenden Zahlen im Corona-Herbst.

Von Roland Keth

Viele Hausärzte im Landkreis bieten Kombi-Termine gegen Grippe (unser Bild) und Corona an einem Tag an. (Archivfoto: dpa)

ALZEY-WORMS – Husten, Schnupfen, Halsweh, Fieber: Wenn es nass und kalt wird, dann füllen sich die Wartezimmer bei den Hausärzten. Sie müssen dann grippale Infekte und Atemwegserkrankungen bekämpfen. Normalerweise. Im vergangenen Jahr, als das Coronavirus in den Lockdown zwang, jeder Maske trug und gebührend Abstand hielt, ist die übliche Grippewelle allerdings ausgefallen. Und dieses Jahr?

Nun kommen auch die alten Krankheiten zurück

„Unsere Praxis läuft auf Kante“, klagt Paul Brämer, Hausarzt in Hamm und Chef des Wormser Gesundheitsnetzes (WoGe). Ähnlich äußert sich sein Kollege Klaus Michael Pfitzner vom Ärztezentrum Wonnegau. „Wir wissen momentan nicht mehr wohin mit unseren Patienten. Unsere Wartezimmer in Osthofen und Flörsheim-Dalsheim sind rappelvoll.“ Noch nicht ganz so dramatisch scheint momentan die Lage im Alzeyer Land. Doch auch Dr. Friedel Rohr (Framersheim) und Dr. Günter Gerhardt (Wendelsheim) sehen mit Sorge, dass die Patienten nicht nur wegen Covid-19, sondern auch wegen der üblichen Erkältungskrankheiten vermehrt in ihre Praxen strömen. „Mein subjektiver Eindruck ist, dass wir im Frühjahr kaum die sonst üblichen Atemwegserkrankungen behandeln mussten. Aber jetzt geht es wieder los“, glaubt Friedel Rohr.

Warum das so ist? Vergangenen Winter waren die meisten Menschen wegen Corona sehr vorsichtig und haben sich zu schützen versucht. Das half gegen Covid, aber natürlich auch gegen Rhino-, RSV- oder Parainfluenzaviren, die für Schniefnasen und Grippe-Attacken verantwortlich sind. Jetzt aber sind viele geimpft gegen Corona, bis vor Kurzem glaubten deshalb wohl die meisten, das Schlimmste überstanden zu haben. Die Folge: Man achtet nicht mehr auf Distanz, die Maske bleibt häufiger in der Tasche, es wird wieder Party gefeiert.

Was kann man gegen die Grippewelle tun?

Und das hat fatale Folgen. Zum einen schwellen momentan wieder die Coronazahlen in extremer Weise an. Und gleichzeitig nehmen die „normalen“ Atemwegserkrankungen zu. Weil der menschliche Organismus im vergangenen Winter nicht trainiert hat, sich gegen Keime zu wehren, rechnen viele Mediziner mit einer regelrechten Grippewelle sowie zunehmenden Atemwegserkrankungen, unter denen Babys und Kleinkinder bereits erheblich leiden.

„Ich kann nicht in die Kristallkugel schauen und die Zukunft vorhersagen. Aber bleiben die Menschen weiter vorsichtig, dann können sie sich weniger anstecken beziehungsweise die Krankheiten nicht so leicht weitergeben. Und dann könnte es sein, dass die angekündigte Grippewelle wieder ausbleibt“, hofft Landarzt Günter Gerhardt auf einsichtiges Verhalten.

Wenn nicht, könnten die Hausarztpraxen wegen heilloser Überlastung gehörig in die Bredouille kommen. „Momentan haben wir noch relativ wenige Grippefälle zu behandeln, dafür aber schon deutlich mehr Atemwegserkrankungen“, berichtet Paul Brämer. Trotzdem arbeiten er und seine Helferinnen bereits am Anschlag. „Wir impfen momentan verstärkt gegen Grippe, machen normale Corona- und jetzt auch Booster-Impfungen. Und das alles neben unserem normalen Praxisbetrieb“, beschreibt Brämer die sich zuspitzende Lage. „Und dann müssen wir ja alle damit rechnen, dass auch mal jemand aus unserer Mannschaft krank wird.“ Bei ihm in Hamm hat es ganz besonders eingeschlagen. „Fast 80 Prozent meiner Mitarbeiterinnen sind erkrankt oder mussten in Quarantäne. Wir gehen auf dem Zahnfleisch und sind kurz davor, zumachen zu müssen“, klagt Brämer. Nicht auszudenken, was passieren würde, sollte demnächst noch eine große Influenza-Welle über das Land rollen.

Was berichtet das Gesundheitsamt?

Das bei der Kreisverwaltung in Alzey angesiedelte Gesundheitsamt hat dafür momentan allerdings noch keine Anzeichen ausgemacht. „In den vergangenen Wochen wurden uns keine Influenza-Fälle bekannt. Aus den Praxen der niedergelassenen Kollegen wurden lediglich ansteigende Fallzahlen für akute Atemwegserkrankungen rückgemeldet“, berichtet Pressesprecherin Simone Stier. Dass es nun wieder zu mehr Kontakten und vor allem witterungsbedingt zu mehr Begegnungen in Innenräumen kommt, habe sicherlich „einen maßgeblichen Einfluss auf die Verbreitung von akuten Atemwegserkrankungen“, schätzt das Gesundheitsamt und rechnet fest damit, dass die Zahlen ansteigen werden.

Vor diesem Hintergrund sind sich alle vier Mediziner einig: Sie raten dringend, sich impfen zu lassen – gegen Corona, aber auch gegen Grippe. Die meisten Praxen bieten dazu Kombi-Termine an einem Tag an. Auch Maske, Abstand, Hygiene bleiben unverzichtbar. „Und“, mahnt Paul Brämer eindringlich, „meiden Sie Versammlungen in geschlossenen Räumen.“

 

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